Mittwoch, 15. November 2006

Leçon 1 - Der Apostroph

Alle finden die englische Sprache cool. Die wird nämlich in Amerika gesprochen. Und das ist das Land, wo alles Coole herkommt. Ein Sprecher der deutschen Sprache wächst also in seiner Coolness, je mehr er seine Sprache der englischen Sprache angleicht. Und man kennt es aus dem Namen McDonald's: Wörter, die aus dem Englischen kommen und mit einem s enden, haben vor diesem s immer so einen Strich oben. Immer. Und weil das so cool ist, machen wir das jetzt im Deutschen auch. Ich kaufe mir jetzt also immer Baguette's. Aber aus irgendeinem Grunde seh ich den Strich nicht, den ich verwenden müsste. Da ist hauptsächlich ne Raute auf der Taste, darüber ist so Fliegendreck. Mehr Auswahl bietet die Taste neben der Backspace-Taste: Da sind ja zwei Striche drauf! Ich kaufe mir jetzt also immer Baguette´s. Nee, das sieht komisch aus. Irgendwie so gar nicht wie bei McDonald's. Ich kauf mir Baguette`s, ich weiß ja, wie ich die Shift-Taste benutze. Aber irgendwie sieht das doch nicht aus wie bei McDonald's. Hm. Na, dann kauf ich mir eben doch wieder Baguette´s. Und die glückliche Taste neben der Enter-Taste hat Urlaub.

Der Apostroph ist vom Aussterben bedroht, keine Frage. Und das, obwohl das Bedürfnis, ihn zu verwenden, so groß scheint wie nie zuvor. Zunächst hat er nur sein Geschlecht verloren, man hat ihn also kastriert. Schließlich hört man überall: Du hast da vor dem s das Apostroph vergessen. Laut Duden hat der oft bis zu 45 Grad erigierte Balken die grammatische Geschlechtszuweisung maskulin. Passt doch eigentlich. Dass er ausstirbt, ist natürlich nicht verwunderlich, da er mit seinem Geschlecht auch die Voraussetzung zur Fortpflanzung verloren haben wird.
Gut, wenn er natürlich mit dem weitaus weniger aufrechten Gravis oder Akut verwechselt wird, dann könnte man argumentieren, dass dieser offensichtliche Potenzverlust schon ausreiche, um dem Apostroph die Männlichkeit abzusprechen. Aber man täusche sich nicht: Gravis und Akut sind auch männlich, Mangel an Erektion hin oder her – aber dazu später mehr.

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