Freitag, 24. November 2006

Donnerstag, 23. November 2006

Ich wohn in S'berg

Zunächst einmal die guten Nachrichten: Enorm viele Fälle von Elisionen bedürfen überhaupt keines Apostrophs. Kontraktionen von Präpositionen mit Artikeln (zum Beispiel: aufs, übers, untern usw), ebenso umgangssprachliche Prägungen, die ein gebeugtes Verb mit dem Pronomen "es" verschmelzen (wie "gehts", "hats", "läufts", etc). Hier muss ich allerdings zugeben, dass es nicht als Fehler gezählt werden kann, wenn ein Apostroph gesetzt wird. Keinen Apostroph setzt man, wenn Flexionsendungen von Verben weggelassen werden, soweit die Fälle allgemein halbwegs gebräuchlich sind. Ich "geh", "wohn", "mach" und so weiter. Auch, wenn ein unbetontes e im Wortinnern weggelassen wird, setzt man keinen Apostroph: Ich "wechsle", die "andre" Socke.

Das klingt ja alles erst einmal ganz gut. Aber wo setzt man ihn denn überhaupt noch? Hier gibt es wieder so eine schön schwammige Aussage wie: Wenn a) die Unterlassung des Setzens eines Apostrophs das Leseverständnis erschwert oder b) das Setzen eine bedeutungsunterscheidende Wirkung erzeugt.

's ist scharf. Wenn hier vom Chili con Carne die Rede ist, dann ist es ganz gut, wenn ein Apostroph vor dem s steht. Wenn es natürlich darum geht, dass jemand "Sex" mit stimmhaftem s ausspricht, so wie im Zahlwort "sechs", dann zeigt das Weglassen des Apostrophs an, dass es hier nicht um ein verkürztes Personalpronomen, sondern um ein Graphem bzw. um dessen lautlichen Wert geht.
Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll. Goethe. Die 3. Person Singular Präteritum von "rauschen" lautet natürlich "rauschte", mit Elision "rauscht". Nun ist das aber schon die Präsensform dieses Verbs. Zu dumm. Also den Apostroph ran, damit nicht der Eindruck entsteht, man erzähle hier von der Gegenwart. Und die korrekte Präteritum-Form geht hier natürlich nicht, wegen Goethe und Jambus.

Das sind nur mal zwei Beispiele für Ausnahmen, wo der Apostroph gerechtfertigt oder sogar angebracht ist. Die Regel, dass man den Apostroph bei Elisionen weglassen kann, wenn dadurch keine Ambiguität entsteht oder das Verstehen eines Satzes nicht erschwert wird, ist natürlich ähnlich hilfreich wie die Regel, dass mans halt nicht macht, wenns nicht passt.

Immerhin eindeutig: Man muss einen Apostroph setzen, wenn die Auslassung einen Eigennamen betrifft und mehrere Buchstaben im Wortinnern davon betroffen sind. Ich wohn zum Beispiel in S'berg und gehe häufiger am Ku'damm einkaufen. Dagegen kann ich nichts sagen.

Mittwoch, 22. November 2006

Geht's noch? oder Die ew'ge Lust verstrich'ner Tage

Der Apostroph hat im Deutschen nicht nur die Funktion, den Genitiv zu kennzeichnen. "Der Apostroph zeigt an, dass in einem Wort ein oder mehrere Buchstaben ausgelassen worden sind (...)", er kennzeichnet also Elisionen. Das sagt der Duden, Band 1, Die deutsche Rechtschreibung. Hier kann man einerseits poetischen Schmonzes anführen wie "Die ew'ge Lust verstrich'ner Tage" oder die Auslassungen in der Alltagssprache wie in der Frage "Geht's noch?".
Wo der Apostroph allerdings noch gesetzt werden muss, das versuche ich in den nächsten Einträgen herauszustellen. Allzu viel Zwang, ihn bei Auslassungen wie "übers" für ("über das") anzuwenden, besteht nämlich mittlerweile nicht mehr.

Freitag, 17. November 2006

Andreas' Asi-Toaster und Willi's Würstchenbude

Gehen wir davon aus, dass uns in Andreas Asi-Toaster ein Mann empfängt, dem der Laden auch gehört. In diesem Fall wäre es nicht nur korrekt, sondern auch geboten, durch einen "Apostroph bei vorangehendem Namen" (Duden - Die Grammatik) zu kennzeichnen, dass der Besitzer der Belichtungsanstalt ein Mann ist. Man kann nichts dagegen sagen oder unternehmen. "Der Apostroph steht zur Kennzeichnung des Genitivs (...) von Namen, die auf s, ss, ß, tz, z, x enden und keinen Artikel o. ä. bei sich haben (...)" (Duden - Die deutsche Rechtschreibung).
Vor dieser Regel muss ich kapitulieren. Offenbar ist die bedeutungsunterscheidende Wirkung des Apostrophs im Falle von Andreas' Asi-Toaster so wichtig, dass dieser Apostroph vom Duden als notwendig angesehen wird.
Es scheint zwar nicht unbedingt notwendig, sondern mehr eine Art Konzession, wenn man gestattet, dass die liebliche Andrea ihren eigenen Apostroph haben darf (so wie der Andreas ihn auch hat), und dass sie ihre Butze also "Andrea's Asi-Toaster" nennen darf. Aber wir müssen es Andrea im Zuge der Gleichberechtigung ganz offenbar gestatten, sich hinten den aufrechten Balken dranzuschieben.

Übrigens gibt es einen anderen (gern vom Duden angeführten) Fall, in dem die bedeutungsunterscheidende Wirkung des Apostrophs völlig unabhängig vom Geschlecht ist: Willis Würstchenbude. Allerdings bin ich mir in diesem Fall nicht sicher, ob es denn wirklich notwendig ist, hier mit einem Apostroph zu arbeiten (Willi's Würstchenbude), um potentiellen Neukunden die Enttäuschung darüber zu ersparen, dass hinter der Theke nicht Bruce Willis persönlich bedient. Wer hätte das denn schon erwartet?

Donnerstag, 16. November 2006

Porno's vs. Bernie's Bumsbude

Wenn die Frage aufkommt, wann man den Apostroph im Deutschen eigentlich überhaupt einsetzen soll, dann würde ich am liebsten mit "Nie." antworten. Leider würde ich damit ein bisschen übers Ziel hinausschießen. Aber in diesem Post geht es zunächst einmal um Fälle, in denen er falsch ist und im Vergleich um Fälle, in denen er einfach unschön, aber nicht falsch ist. Wenn ein Ladengeschäft mit "Porno's" wirbt, dann sollte besser der Besitzer des Geschäftes Guiseppe Porno heißen und mit "Porno's" verdeutlichen wollen, dass es sich um seinen Laden handelt. Wenn das apostrophierte s einfach ausdrücken soll, dass der Laden mehr als einen Porno führt, dann hätte sogar ein Perry Porno einen dicken Fehler gemacht. Denn im Englischen ist das Plural-s auch nie apostrophiert. Das Genitiv-s hingegen schon, da es sich bei Perry's Porno Place um eine Verschleifung (im Volksmund Elision genannt) der Wörter "Perry" und "his" handelt. Wörtlich übersetzt also: Perry sein Porno-Ort. Das englische apostrophierte s ist also die Spur eines fehlenden Zeichens, eine Art Palimpsest. So wie im Deutschen "über das" zu "übers" wird. Das Plural-Suffix s kommt aber mitnichten von einem zusammengestrichenen Wort. Es ist einfach eine Flexionsendung, im Falle von "Die Pornos sind leider verliehen." ist es eine Nominativ-Plural-Flexionsendung des Wortes Porno, das eine neue Wortform von *einem* Wort vorstellt, nicht eine Kontraktion von *zwei* Wörtern, wie bei "Perry's". Oder auch "McDonald's". Also: Kein Apostroph notwendig, kein Apostroph erlaubt.

So viel dazu. Jetzt ein Stoßseufzer über Bernie's Bumsbude. Fahrt über die Dörfer, sie begegnet euch überall. Ja, es ist erlaubt, hier einen Apostroph zu setzen. Soweit ich weiß, gilt das seit der Rechtschreibreform. Warum erlaubt der Duden Bernie's Bumsbuden? Mir war es zunächst ein Rätsel. Ich hatte nur die Erklärung, dass er es den deutschen Kids gönnen wollte, so cool zu sein wie Amerika selbst. Und, um die Fehleranzahl im Deutschaufsatz durch eine weitere Lockerung zu Gunsten einer anscheinend unaufhaltsamen jugendlichen Tendenz für die Statistiken etwas weiter zu reduzieren. Aber das stimmt nicht. Bernie's Bumsbude darf es geben, weil es Andrea's Asi-Toaster geben können muss.
Und das führt uns zum postapostrophierten s. Sehr verbreitet ist es in Deutschland nicht. "Andreas' Asi-Toaster" ist jedenfalls nicht im Mindesten so omnipräsent und ubiqitär wie "Bernie's Bumsbude". Also steht der gemeine Prolet doch vor "Andreas Asi-Toaster" etwas ratlos da, wenn überhaupt kein Apostroph im Spiel ist und er das Etablissement noch nicht kennt. Empfängt ihn jetzt die liebliche Andrea oder doch nur der ranzige Andreas?
Wir werden es erleben. Im nächsten Eintrag.

Mittwoch, 15. November 2006

Diakritisch

Nein, nein, es geht nicht um Evaluationen obsoleter Fototechniken.
Diakritische Zeichen sind Zeichen, die auf derselben Stelle stehen wie der jeweils dazugehörige Buchstabe: ç, ô, ü, é, à - nur mal so als Beispiele. Ohne die diakritischen Zeichen, die eine abweichende Aussprache angeben, stünden dort nur c, o, u, e und a. Der Apostroph ist eben gerade *kein* diakritisches Zeichen. Er beansprucht eine Stelle für sich - wenn man sich nicht gerade im Tschechischen aufhält. Darum zeigen viele Programme auch eine farbige Hinterlegung, wenn jemand an der Stelle, wo eigentlich ein Apostroph stehen sollte, einen Akut "´" oder einen Gravis "`" setzt. Das Textverarbeitungsprogramm will sagen, dass dieses Zeichen nicht alleine vorkommen kann. Der unwissende Schreiber ignoriert das, weil er ja im Grunde gar nicht das Zeichen verwenden will, von dem das Programm sagt, dass er es verkehrt verwendet.
Nur der Vollständigkeit halber: ô: Zirkonflex, ü: Trema. Vor allem mit dem Terminus "Trema" kann man super prahlen. Es soll Leute geben, die sich allein dazu einen Citroën kaufen.

Willkommen!

Leçon 1 - Der Apostroph

Alle finden die englische Sprache cool. Die wird nämlich in Amerika gesprochen. Und das ist das Land, wo alles Coole herkommt. Ein Sprecher der deutschen Sprache wächst also in seiner Coolness, je mehr er seine Sprache der englischen Sprache angleicht. Und man kennt es aus dem Namen McDonald's: Wörter, die aus dem Englischen kommen und mit einem s enden, haben vor diesem s immer so einen Strich oben. Immer. Und weil das so cool ist, machen wir das jetzt im Deutschen auch. Ich kaufe mir jetzt also immer Baguette's. Aber aus irgendeinem Grunde seh ich den Strich nicht, den ich verwenden müsste. Da ist hauptsächlich ne Raute auf der Taste, darüber ist so Fliegendreck. Mehr Auswahl bietet die Taste neben der Backspace-Taste: Da sind ja zwei Striche drauf! Ich kaufe mir jetzt also immer Baguette´s. Nee, das sieht komisch aus. Irgendwie so gar nicht wie bei McDonald's. Ich kauf mir Baguette`s, ich weiß ja, wie ich die Shift-Taste benutze. Aber irgendwie sieht das doch nicht aus wie bei McDonald's. Hm. Na, dann kauf ich mir eben doch wieder Baguette´s. Und die glückliche Taste neben der Enter-Taste hat Urlaub.

Der Apostroph ist vom Aussterben bedroht, keine Frage. Und das, obwohl das Bedürfnis, ihn zu verwenden, so groß scheint wie nie zuvor. Zunächst hat er nur sein Geschlecht verloren, man hat ihn also kastriert. Schließlich hört man überall: Du hast da vor dem s das Apostroph vergessen. Laut Duden hat der oft bis zu 45 Grad erigierte Balken die grammatische Geschlechtszuweisung maskulin. Passt doch eigentlich. Dass er ausstirbt, ist natürlich nicht verwunderlich, da er mit seinem Geschlecht auch die Voraussetzung zur Fortpflanzung verloren haben wird.
Gut, wenn er natürlich mit dem weitaus weniger aufrechten Gravis oder Akut verwechselt wird, dann könnte man argumentieren, dass dieser offensichtliche Potenzverlust schon ausreiche, um dem Apostroph die Männlichkeit abzusprechen. Aber man täusche sich nicht: Gravis und Akut sind auch männlich, Mangel an Erektion hin oder her – aber dazu später mehr.